13.04.2013

Besuch der Pfarrkirche St. Sebastian in Würselen

Bericht: Helmut Vondenhoff

Auf Einladung des Geschichtskreises der Pfarre St. Sebastian in Würselen besuchten wir mit 17 Mitgliedern unsere frühere Mutterpfarre. Bevor Haaren im Jahre 1623 selbstständige Pfarre wurde, gehörten Haaren und Verlautenheide zum Pfarrbereich St. Sebastian in Würselen und zum Erzbistum Köln. Weit vor 1623 hat wohl in Haaren schon eine Steinkirche gestanden, denn ältere Forschungen sprechen davon, dass die „alte Kirche“ mit dem Turm und in ihrem Kern zwischen Ende des 13. und Mitte des 14. Jahrhunderts, etwa 1275–1350 gebaut worden ist. Aus dieser Kirche stammten die Glocken mit den Jahreszahlen 1357 und 1384 die sich bis heute im Diözesan-Museum in Köln befinden. Lange Zeit wurde auch danach geforscht woher und warum unsere Pfarrkirche nach dem hl. Germanus benannt wurde, die Nachforschungen führten uns sogar bis nach Auxerre in Frankreich, zum Grab des hl. Germanus, jedoch ohne dass wir greif-bare Beweise finden konnten. Rolf Rüland vom Geschichtskreis, ein ehemaliger Gymnasiallehrer, der mit uns den Rundgang durch die Kirche machte, ging davon aus, dass die Haarener Kirche bereits 1284 dem hl. Germanus gewidmet war.

Dazu führt er folgende Quelle an:

„Bedeutende Veränderungen erfuhr der Würselener Pfarrsprengel im 17. und 18. Jahrhundert. In Haaren war eine erstmals 1284 erwähnte Kapelle zu Ehren des heiligen Germanus errichtet worden. Der dort tätige Kleriker wurde vom Würselener Pfarrpriester eingesetzt, war jedoch nicht zur Seelsorge verpflichtet.“

Die Quellenangaben zum obigen Zitat:

Zur Nennung zum Jahr 1284 anlässlich der Besetzung der Kirchtürme von Haaren und Laurensberg durch Erzbischof Siegfried von Westerburg und dessen Verbündete während der Belagerung von Aachen vergleiche 1.Jan van Heerlu, Rymkronyk betreffende den slag van Woeringen, uitgegeven van J.F.Willems, Brüssel 1836, vers 2358- 2450.

Zur Bedienung der Haarener Kirche durch einen Priester, den der Seelsorgepriester der Kirche von Würselen in Dienst nehmen und der im Würselener Pfarrhaus wohnen sollte vergleiche 1.Send- und Kirchweistum Würselen nach 1479, § 3, hg. von Albert Michael Koeniger, Quellen zur Geschichte der Sendgerichte in Deutschland, München 1910, S. 98-100, ebd. S. 99

Wenn man das richtig interpretiert war der Name St. Germanus bereits 1284 existent.

Neben den im letzten Heimatbuch auf Seite 112 genannten Dingen ein weiterer Indiz dafür, dass das Patrozinium St. Germanus bereits vor 1623 bestand.

Rolf Rüland sprach bei unserer Begrüßung die Entstehung des Ortes Würselen und die damit verbundene Geschichte der Würselener Kirche an. Die erste urkundliche Erwähnung datiert aus dem Jahre 870, als Ludwig der Deutsche die königliche Eigenkirche zu „Wormsalt“ dem Eifelkloster Prüm schenkte. Über diese romanische Kirche ist fast nichts bekannt, erhalten geblieben aber ist der an der Wende vom 12. zum 13. Jahrhundert erbaute Westturm, dessen vier Geschosse sich auf quadratischem Grundriss erheben. Nach einem möglicherweisen Umbau in gotischer Zeit und längerer Periode der Baufälligkeit wurde die Kirche bis auf den Turm abgerissen. Von 1722 bis 1725 wurde dann nach den Plänen des Baumeisters Laurenz Mefferdatis eine dreischiffige Halle mit Kreuzrippengewölben auf toskanischen Säulen als neues Gotteshaus geschaffen. Im Jahre 1906 führte die Bevölkerungszunahme zur Erweiterung der alten Pfarrkirche durch den Haarener Kreisbaumeister Heinrich van Kann, durch den Bau eines Querschiffes in neobarockem Stil schuf er einen dreischiffigem Chorraum. Als Gegengewicht zum denkmalgeschützten Westturm schuf Heinrich van Kann eine Wölbung mit großer Kuppel die das Erscheinungsbild des Kirchengebäudes nach außen deutlich prägt. Beim Rundgang erfuhren wir viel Wissenswertes über die Ausstattung des Kircheninneren, der Taufkapelle mit dem Taufstein von 1750, der neuen Bleiverglasungen der Kirchenfenster aus den Jahren 1954-1961. Sehenswert das Kunstwerk „Madonna mit dem Kind auf dem Halbmond“ und die Statue des Pfarrpatrons des heiligen Sebastian. Die ehemalige Angelusglocke, die noch als Wandlungsglocke genutzt wird, stammt aus dem Jahre 1275, weitere alte Glocken befinden sich im Turm, die Marienglocke aus 1383 und die Balbinaglocke aus 1432. Die Kanzel aus dem 18. Jahrhundert stammt wahrscheinlich von Johann Couven aus Aachen, die Schnitzarbeiten und der mit einem kronenförmige Schalldeckel überdachte Predigerkorb sind äußerst beachtenswert. Rolf Rüland machte dann auch eine Probe aufs Exempel, er bestieg den Predigstuhl und ohne seine Stimme zu erheben oder lauter zu werden, konnten wir an jeder Stelle in der Kirche seine Worte gleichlaut hören und verstehen. Ein Akustikerlebnis welches uns die Technik des 18.Jahr-hunderts geschenkt und erhalten hat. Der Hochaltar geweiht im Juni 1732, wurde mehrmals erweitert und besteht aus einer außergewöhnlich seltenen Holzkonstruktion von 12,90 Metern Höhe und 8 Metern Breite. Ein weiterer Altar ist dem heiligen Salmanus geweiht, er birgt verschieden Knochenreliquien die in früheren Zeiten bei Wallfahrten gerne aufgesucht wurden, aus der Zeit stammt wahrscheinlich auch das Lied das die Maijungen nach dem Ausrufen der Maibräute sangen: „Lott oos net su lang hej stoeh, vüür mösse noch noeh Salmunes joeh........ Das Turminnere mit Wendeltreppe und mehreren Emporen führte uns in die Zeit des Mittelalters zurück, standhafte Mauern mit Luken, Glockenstuhl und mechanischem Uhrwerk, dazu ein Rundumblick 360° über Würselen und Umgebung und den sagenhaften „Düvel“ im Mauerwerk hockend. Der „Düvel“ ist eine einigermaßen erhaltene Steinskulptur eines kräftigen stilisierten Löwen dem in der Romantik typischen Dämonen bannende Aufgabe zufiel, eine Kopie dieses „Düvels“ ist heute an der Nordseite des Turm angebracht und zu sehen. Nach dem Abstieg aus dem Turm begann für uns der Abschluss einer äußerst interessanten Führung mit Rolf Rüland der uns seine Kirche, sein St. Sebastian mit viel Herzblut und Liebe zum Detail näher brachte. Zum Schluss probte der Organist auf der neuen Eule-Orgel von 2011und von der Orgelempore erklang ; „Großer Gott wir loben Dich“, wir wären nicht aus Haaren wenn wir nicht sofort mit eingestimmt hätten, 17 Haarener und Rolf Rüland sangen zum ersten Male in einem gemischten Chor, und gar nicht mal so schlecht.

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Eine Führung durch St. Sebastian in Würselen

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Rolf Rüland auf der Kanzel mit Akustikprobe

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Der gewaltige Hochaltar in St. Sebastian

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Die Taufkapelle mit altem Taufstein

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Im Innern des Turmes, Würselens „Düvel“

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Die Kirche St. Sebastian heute

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St. Sebastian von Bomben zerstört nach 1945


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