21.06.2013

Via Regia - Tafel in Haaren

Bericht: Helmut Vondenhoff

Via Regia, Teilstück der alten Frankfurter Heerstraße in Haaren HV

Haaren Markt nach der Umgestaltung

Seit November 2012 stehen in Aachen sechs dem Generalthema „Entlang der Via Regia“ gewidmete Tafeln: Zwei am Gut Melaten, eine weitere Tafel am Hexenberg auf der Hörn und zwei an der Bushaltestelle des Aachener Verkehrsverbundes in Aachen-Lemiers, also direkt an der Grenze zu den Niederlanden und eine in Seffent, nahe Siebenquellen. Die siebente Tafel die uns an die alte Frankfurter Heerstraße erinnert, finden wir nun seit 21. Juni 2013 in Haaren auf dem Marktplatz. Jede dieser großformatigen Tafeln ist einem speziellen Thema an diesen Straßen gewidmet, das kurz und allgemein in drei Sprachen erklärt sowie zusätzlich in Karten und Abbildungen mit erklärenden Unterschriften vertieft wird. Die Via Regia ist der Namen der ältesten und längsten Landverbindungen zwischen Ost- und Westeuropa, sie existiert seit mehr als 2.000 Jahren und verbindet mit 4.500 km Länge 8 europäische Länder. Via Regia leitet sich ab von Königstraße, dieser historische Straßenname „Königstraße“ hat weniger damit zu tun, dass auf ihr des Öfteren Könige reisten, das traf für die nach Osten aus Aachen heraus führende Straße ins besondere zu, sie standen vielmehr unter Aufsicht und Schutz des Königs und sind heute vergleichbar mit unseren Bundesstraßen und Fernstraßen. Östlich von Aachen ist der historische Weg als Aachen-Frankfurter Heerstraße bekannt, die seit karolingischer Zeit die bevorzugten Königspfalzen verband. Im Mittelalter gab es auf diesem Wege etwa 30 Krönungszüge vom Ort der Krönungswahl in Frankfurt zum Ort der Königskrönung in Aachen. Die meisten Könige zogen über Weiden und Haaren zur Krönung nach Aachen ein, wobei einige auch in Haaren erst einmal übernachteten bevor sie mit ihrem Gefolge in Aachen einzogen. Nur zwei Könige, Richard von Cornwallis und Karl V. kamen über den damals wichtigsten Weg zwischen Maastricht und Aachen über die auch heute noch so genannte Königstraße nach Aachen. Der bedeutsamste Würdenträger der mit einem farbenprächtigen Gefolge durch Deutsch-Lemiers zog, dieser „Königsweg“ war bis 1778 der Hauptweg, war zweifellos Karl der V. Am 21 Oktober 1519 war der bekannte Habsburger unterwegs von Maastricht über Wittem nach Aachen. Am darauf folgenden Tag zog er mit mehr als 2000 Reitern und 3000 Mann Fußvolk über die Via Regia Richtung Willkensberg auch Willkommsberg genannt. Am 23.Oktober sollte in Aachen die Krönung stattfinden, und die Ankunft Karls V. sollte bei Tageslicht erfolgen. Bedingt durch die vielen Würdenträger, Herzöge und Grafen die alle in unmittelbarer Nähe von Karl V. reiten wollten und sein wollten, verzögerte sich die Ankunft und es wurde noch einmal auf dem Schneeberg Halt gemacht um eine hierarchische Ordnung herzustellen. In Seffent hatte Karl V. seine Kutsche verlassen um sich weiter mit dem Pferd zum Willkensberg zu begeben wo er durch die Vertreter der Stadt Aachen willkommen geheißen wurde. Darauf hin setzte sich die Gesellschaft zur Königstraße in Bewegung wo ihr von der obersten Geistlichkeit die Aufwartung gemacht wurde.

Das ganze Mittelalter hindurch fehlte es darüber hinaus nicht an weiteren Anlässen für die Könige Aachen zu besuchen. Die Aachen-Frankfurter Heerstraße war im Mittelalter zugleich auch Pilger- und Handelsstraße. Bei der Nutzung dieser Wegeverbindungen konnte über große Strecken auf das alte römische Straßennetz zurückgegriffen werden. In römischer Zeit verlief die große Ost-West-Hauptstraße noch ca. 20 km nördlich an Aachen vorbei, wurde aber in karolingischer Zeit verlegt, so dass sie nun Aachen, die bedeutendste Königspfalz im Reich, mit den fränkischen Stammlanden im Westen und den Königspfalzen und -höfen wie Paderborn im Osten, sowie Ingelheim und Frankfurt im Süden miteinander verband.

Geringfügige Verlegungen der Wegetrasse gegenüber der karolingischen Zeit sind insbesondere nach der Anlegung der mittelalterlichen Stadtbefestigung, bei der die Lage der Tore auch unter verteidigungstechnischen Gesichtspunkten gewählt werden mussten, wahrscheinlich. Die steil aus der Aachener Altstadt nach Westen führende Königstraße lässt heute kaum noch erkennen, dass sie einst Bestandteil eines bedeutenden Wegenetzes war. Die Bezeichnung „Via Regia“ kommt erstmals in einer Urkunde vom 24.02.1234 vor, mit der Papst Gregor IX. allen Wohltätern für die Aussätzigen Aachens einen 40tägigen Ablass versprach. Ein trauriges Los bindet diese armen Kranken ihr Leben lang an die Leproserie nahe der Königsstraße von Aachen, der päpstlich benannte Ort ist das Gut Melaten westlich von Aachen. In Höhe des heutigen Uniklinikums verlässt man an Gut Melaten, dem ersten Krankenhaus Aachens, dem historischen Hospital für Aussätzige mit eigener Kapelle, und noch als Bodendenkmal erhaltenen Friedhof das Stadtgebiet und kommt über den Schneeberg und Wachtelkopf hinunter nach Lemiers. Jenseits des Senserbaches, der hier die Grenze bildet, geht der Weg weiter über den historischen Weg nach Vijlen und Gulpen über Scheulder, Wolfshuis, Gasthuis, Bemelen und Scharn bis nach Maastricht. Bis Maastricht fuhren die Nutzer der „Via Regia“ per Schiff um dann auf dem Landwege ihrem Ziel Aachen entgegen zu gehen oder zu fahren. Moderne Entwicklungen haben den Verlauf der historischen Trasse nur wenig verändert.

Im alten Kartenbild Aachens führen mehrere Wege vom Aachener Zentrum in Richtung Osten. Da war zum Einen ein Saumpfad, Vieh- oder Mühlenweg der in der Copso-Karte erst ab Quartiersgrenze als „Verlautenheider Fußpatt“ erscheint; er verbindet die Mühlen an der Wurm, die Welsche Mühle und die Kahlgrachtmühle mit Aachen und führte wohl auch ab der Kahlgrachtmühle den Berg hinauf nach Verlautenheide.

Zum anderen an St. Peter vorbei, verließ der Weg in Richtung „Paß“ (heutige Passstrasse) die Stadt um über den Grünen Weg und den Schwarzen Weg etwas nördlich der Hergelsmühle in Haaren, um schließlich über eine Brücke (römischen Ursprungs?) die Wurm zu queren in Richtung „Alter Viehweg“ (heutige Friedenstraße). Weiter führte der Weg südlich um den Burgberg herum bis dass es östlich des Burgberges zwei Trassen der Weiterführung gab bis zum Grindel in Weiden. Eine verlief den alten Kaninsberg hinauf über Dobach und Dommerswinkel und eine über St. Jobs. Eine südöstliche Abzweigung in Richtung Verlautenheide erlaubte es, die Höhen am steilen Anstieg am östlichen Rand des Aachener Talkessels schräg anzugehen. Für diesen Weg findet man neben dem Namen „Haarenter Weg“ auch den Namen „Reitweg“, der z.T. auch für den grünen und Schwarzen Weg verwandt wurde. Ab Verlautenheide setzte sich der Weg durch den Reichswald als „Eschweiler Bahn“ fort, die „Eschweiler Bahn“ führte über Merzbrück, St. Jöris, Kinzweiler, Lürken und Aldenhoven ebenfalls in Richtung Jülich zur heute so genannten „Via Belgica“. “Via Belgica“ ist eine moderne Bezeichnung im Rahmen der „Regionale 2008“ für die römische Heerstraße die Köln mit der Atlantikküste verband. Sie begann in Köln und führte über Jülich nach Heerlen, Maastricht, Tongeren und Bavay, wo sie sich verzweigte: Ein Zweig führte nach Boulogne-sur-Mer und ein weiterer über Cambrai nach Amiens. Zudem kreuzte in Bavay die Heerstraße vom Mittelmeer über Lyon und Reims nach Tournai die Via Belgica.

Im 14. Jahrhundert verlegte man das Kölntor im äußeren Mauerring der Stadt Aachen weiter südlich als das Kölnmitteltor im inneren Mauerring, und baute den „Kölnsteinweg“ (heutige Jülicherstraße); offensichtlich war die Stadt Aachen im Hochmittelalter zu einem solchen Straßenbauprojekt technisch in der Lage. Man bedenke, dass man im erheblichen Maße auf die Nutzung der Wasserkraft durch die Wurm- und Haarbachtalmühlen angewiesen war, so war diese Trassenverlegung weniger zur Führung des Fernverkehrs als vielmehr für gewerbliche Zwecke sinnvoll und fruchtbringend für die Stadt Aachen war. Der Straßenverlauf von Aachen kommend erreichte Haaren deutlich unterhalb und etwas südlicher von der damaligen St. Germanus Kapelle, dem Vorläuferbau der heutigen St. Germanus Kirche, das alleine erklärt den charakteristischen doppelten Schwenk der jetzigen Alt-Haarener-Straße zwischen Redoute und Sängerheim.

Mit Ausnahme des spätmittelalterlichen Kölnsteinweges und des „Verlautenheidener Fußpatts“ gehen vermutlich alle o.g. Wege-Trassen auf die römische Zeit zurück. Für die Bevölkerungsentwicklung Haarens, der Anbindung an die Stadt Aachen, und den Anteil Gewerbetreibender neben der Landwirtschaft, spielte die Lage mit der Verteilung des Verkehrs in drei Richtungen eine große Rolle. Man benötigte z.B. Wirte und Übernachtungsmöglichkeiten, Vorspannpferde, Schmiede, Stellmacher usw. Aus der Metallverarbeitung entwickelten sich spätestens in der frühen Neuzeit als spezieller Zweig die Fertigung von Pistolen und Gewehrschlössern. Auch der relativ hohen Bevölkerungszahl dürfte es Haaren zu verdanken haben, das die alte Germanus-Kapelle schon Anfang des 17. Jahrhunderts (1623) aus der bis mindestens in karolingische Zeit zurückreichenden Pfarre St. Sebastian in Würselen ausgepfarrt und selbstständig wurde.

Wege und Straßen haben Menschen und Orte seit jeher verbunden, sie führten Menschen zusammen, sie gaben ihnen die Möglichkeit zu reisen, aber auch um sich für die Kriegsführung über lange Strecken fort zu bewegen. Die Geschichte unserer alten VIA REGIA als Heerstraße beginnt, den schriftlichen Quellen zufolge, mit den Zügen der Franken und endet kurioserweise mit einem Feldzug der Franzosen. Letztmalig erlangte diese Route europäische Bedeutung durch die Truppen Napoleons, die sowohl auf ihren Eroberungsfeldzügen nach Russland und Spanien, als auch auf ihrem Rückzug eben diese Straße benutzten. Dazwischen liegen anderthalb Tausend Jahre europäische Geschichte, die eng mit der VIA REGIA verknüpft ist. Haaren und die Streckenführung durch Haaren ist, und wird immer ein Teil der Geschichte dieses Weges, dieser Straße, der VIA REGIA bleiben, die Haarener Tafel, aufgestellt am Haarener Markt, gibt uns dauerhaft und anschaulich Auskünfte über Zusammenhänge, Hintergründe und Informationen, nehmen wir sie auf, bewahren und nutzen wir sie.

HV

Haaren Markt - Hinweistafel VIA REGIA


Pilgern auf der VIA REGIA

Wie andere Religionen kennt auch das Christentum das - fromme Unterwegssein - zu Orten einer besonderen Heilsvermittlung. Nach den Worten des Apostels Paulus befindet sich ein Christ zeitlebens auf der Pilgerfahrt. Die Hauptziele des christlichen Pilgerwesens sind der Ort der Kreuzauffindung und die Grabeskirche in Jerusalem sowie die Geburtskirche von Bethlehem, die Gräber der Apostel Petrus und Paulus in Rom und das Grab des Apostels Jakobus d. Ä. in Santiago di Compostela. Von den drei Hauptpilgerorten besaß nicht Rom und nicht Jerusalem, sondern das spanische Santiago di Compostela über mehrere Jahrhunderte hinweg eine geradezu magnetische Anziehungskraft auf das gesamte christliche Abendland. Entlang der millionenfach beschrittenen Wege zum Grab des Apostels entstanden Klöster, Kathedralen, Hospize, Wirtshäuser und zahlreiche Stätten des gewerblichen und sonstigen Austausches. Aus Pilgerwegen wurden Handelswege und umgekehrt und der Jacobsweg mit seinen zahlreichen Verästelungen hat wesentlich zur Entstehung des Wegekorridors VIA REGIA vom Osten in den Westen Europas beigetragen. Infolge der französischen Revolution von 1789 und der dadurch ausgelösten geistigen und materiellen Umwandlungen Europas hat das europäische Pilgerwesen im 19. Jahrhundert seine Bedeutung verloren. Während des 20. Jahrhunderts bis nach dem 2. Weltkrieg blieb dem – im mittelalterlich-christlich Sinn geprägten – Pilger der Weg zum Apostelgrab größtenteils versperrt. Nationalistisches Denken, weltweite Kriege und Krisen, ein Auseinanderdriften Europas in ideologische Blöcke, und die europäische Isolierung Spaniens während der Franco-Zeit waren der Pilgerfahrt nach Compostela nicht gerade förderlich. Erst in unserer Zeit, ab Mitte der sechziger Jahre des 20. Jahrhunderts, kann man wieder von einer europäischen Dimension der Pilgerwanderung zum Apostelgrab in Compostela sprechen. In der Pilgerpraxis leben seit dieser Zeit alte Strukturen wieder auf die im neunten Jahrhundert ihren Anfang nahmen, die gleichen historischen Wege wurden seither benutzt,

Straßenzüge die noch immer den Namen VIA REGIA tragen. Im Zeichen der Pilger-muschel finden sich in ganz Europa Hinweise auf den Jakobsweg, doch selbst in unserer Nähe, in St.Jakob in Aachen starten und begeben sich die Pilger von hier aus auf den Weg an Gut Melaten, über den alten Römerweg nach Maastricht, über Belgien, Frankreich bis hin nach Spanien. So manche Pilger die über Jahrhunderte an der Heiligtumsfahrt in Aachen teilnahmen, haben diese Straßen benutzt, sie führten von Aachen in die europäischen Länder und von dort auch wieder auf Aachen zu. Zwangs-läufig passierten manche frommen Pilger auf ihrer Wanderschaft und Pilgerroute nach Aachen und Compostela auch irgendwann einmal Haaren, übernachteten hier oder füllten Proviant und Wasser für unterwegs auf.

Die zahlreichen Zeichen des Pilgerweges an Häusern, Bäumen, Masten, Wegweisern wird nun auch in Haaren auf dem Marktplatz um ein weiteres Zeichen bereichert. Der Landschaftsverband Rheinland hat der Bezirksvertretung eine Stele mit dem Pilgersymbol, der Jakobsmuschel gestiftet zur Kennzeichnung des Jakobsweges durch Haaren. VIA REGIA und Jakobsweg, vielfach verschmolzen und genutzt, erfährt durch diese schöne und großzügige Geste eine zusätzliche Aufwertung und Anerkennung in der Öffentlichkeit.

HV

Haaren Markt - Jakobsstehle

Quellen:
http://www.aachener-geschichtsverein.de/
http://www.via-regia.org/
www.landesausstellung-viaregia.museum
D.kottmann-ADFC


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